Nachruf em. Prof. Dr. med. Ulrich Heifer

Am 14.10.2018 verstarb der am 01.10.1930 geborene em. Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Prof. Ulrich Heifer,  im Alter von 88 Jahren. Geboren und aufgewachsen im Siegerland, musste er die Schrecken des 2. Weltkrieges, u.a. die schwere Verwundung seines Bruders und den Bombentod seiner Mutter erleben. Nach schwierigen Nachkriegsjahren fand Ulrich Heifer während des Medizinstudiums in Bonn seinen Weg in die Burschenschaft Alemannia. In seinem Buch „Inseln im Fluss“ schreibt er dazu: „Der tiefere Sinn eines Fortbestandes unserer burschenschaftlichen Gemeinschaft liegt für mich darin: wir können nicht alle gleich sein, Denken und Handeln. Wir können uns aber in freundschaftlicher Verbundenheit üben, Autorität und Toleranz, Freiheit und Verpflichtung, Anspruch und Verzicht gegeneinander abgrenzen um uns trotz aller individuellen und persönlichen Verschiedenheiten als gleichberechtigte und gleichverpflichtete Glieder eines Ganzen zu begreifen und zu bewähren.“ Die damalige Pflichtassistentenzeit ab August 1957 absolvierte Ulrich Heifer in seiner Heimatstadt Siegen in der Chirurgie, der Gynäkologie, der Inneren Medizin und der ärztlichen Landpraxis. Ebenfalls im Jahre 1957 heiratete er und bekam anlässlich seiner Hochzeitsreise nach Bonn von seinem Doktorvater eine Stelle als Assistent in der Gerichtsmedizin angeboten, wenn er denn die Pathologiezeit hinter sich habe. So begann Ulrich Heifer 1958 mit der Arbeit im Institut für Pathologie des Ev. Jung-Stilling-Krankenhauses in Siegen bis Ende 1959. Nachdem er auch polizeiärztlich gearbeitet hatte, konnte er vom 30. April 1960 an im Bonner Institut, geleitet von Herbert Elbel, lernen und an seiner Habilitation arbeiten, die den Titel trug: „Elektronische Dateninformation als Rekonstruktionsgrundlage tödlicher Straßenverkehrsunfälle“, im Juni 1967 fand die Antrittsvorlesung statt.
Thematisch widmete sich Ulrich Heifer vor allem der forensischen Pathologie, der Verkehrsmedizin, der Serologie und dem Arztrecht, ein Arbeitsschwerpunkt bildeten die alkohol- und drogenbedingten Hirnleistungsstörungen. Bereits 1970 wurde er zum Professor auf Lebenszeit ernannt, im April/Mai 1976 übernahm er kurzzeitig eine Vertretungsprofessur in Düsseldorf und ebenfalls 1976 erhielt er den Ruf auf den Lehrstuhl für Rechtsmedizin an der Philipps-Universität Marburg, den er ablehnte um zum 01. August 1978 dem Ruf auf den Bonner Lehrstuhl für Rechtsmedizin zu folgen. Von 1972 bis 1977 war Ulrich Heifer Mitglied der Kommission des (damaligen) Bundesgesundheitsamtes zum Thema „Alkohol und Straßenverkehr“. Unter der Leitung von Ulrich Heifer fand die 66. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin in Bonn statt unter dem Generalthema „Verantwortung in der medizinischen Wissenschaft“.
Trotz zahlreicher Verpflichtungen, wie der bereits seit 1973 bestehenden aktiven Mitgliedschaft in der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaften und der Mitarbeit auf den Verkehrsgerichtstagen in Goslar, erfolgte parallel die Übernahme der Tätigkeit als Dekan und Prodekan der Medizinischen Fakultät in Bonn, erst 1983/84, dann 1986/87, 1984 auch die Bestellung zum Rektor der Universität. Von 1988 – 1989 und von 1992 – 1994 war er Senator der Universität und bis 1995 Mitglied zahlreicher Gremien und Kommissionen. Seine fachliche Arbeit orientierte sich an der Aufgabe der Rechtsmedizin als naturwissenschaftlich-medizinische Forschung über Grenzprobleme zwischen Medizin und Recht. Ulrich Heifer sah die Aufgabe, gesicherte wissenschaftliche Erfahrungssätze zu erarbeiten und anzuwenden, Erfahrungssätze, an die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Gerichte gebunden sind. Seine Arbeiten zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration zeigen beispielhaft, wie die Rechtsprechung wissenschaftlich fundierten Analysen folgte und für die juristische Anwendung nutzbar machen konnte einschließlich der Etablierung von Grenzwerten. Zu erwähnen sind seine Gutachten für den 4. Strafsenat des BGH „Zur Rückrechnung auf die Tatzeitblutalkoholkonzentration“ sowie sein Gutachten zum „Schlusstrunk“ und seine Arbeit „Zur Bewertung der klinischen Befunde bei alkoholisierten Verkehrsstraftätern“.
Bei der wissenschaftlichen Arbeit ging es ihm um Qualität, nie um quantitative Leistung, was er auch beachtete als Mitherausgeber der Neuen Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), der Zeitschrift „Blutalkohol“ und als Mitglied im Beirat der Zeitschrift für Rechtsmedizin. Wenngleich nicht immer frei von gesundheitlichen Belastungen, hatte Ulrich Heifer bis zu seiner Emeritierung doch 87 Doktoranden betreut und 147 Arbeiten verfasst sowie zahlreiche Auszeichnungen erhalten, auch noch nach der Emeritierung: den Widmark Award 1986, die Senator-Lothar-Danner-Medaille in Gold 1988, die Goslar-Medaille der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaft 1990 und den Konrad-Händel-Preis 2000 der Konrad-Händel-Stiftung. Zahlreiche fachliche Artikel finden sich in den Ulrich Heifer gewidmeten Festschriften zu seinem 60. und 65. Geburtstag. Zu seinem 70. Geburtstag im Jahre 2000 wurde ein Symposium ausgerichtet, im Jahre 2003 wurde er Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin.
Wer mit Ulrich Heifer diskutierte, erlebte ihn als überlegt abwägenden, argumentativ auch durchaus scharfen Wissenschaftler, der Korrektheit und Verantwortungsbewusstsein ausstrahlte und einfordern konnte. Toleranz gegenüber anderen Positionen und die Orientierung an bleibenden Werten gaben ihm Autorität und Glaubwürdigkeit. So hat er die Rechtsmedizin bis weit hinein in unterschiedliche Fachkreise vertreten und unserem Fach eine Anerkennung verschafft, von der die heutigen und künftigen Fachvertreter profitieren.

R. Dettmeyer, Gießen

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