Stellungnahme des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM) und der Arbeitsgruppe Universitäre Forensische Genetik (UFG) zur Erweiterung der DNA-Analyse

Von den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern wurden Gesetzesanträge zur Änderung des § 81e StPO1 in den Bundesrat eingebracht, welche den bisher zulässigen Umfang von DNA-Untersuchungen an Spurenmaterial (Identität, Geschlecht und - familiäre - Abstammung) um die Feststellung von Augen-, Haar- und Hautfarbe, des biologischen Alters der Person (sog. forensic DNA phenotyping - FDP) sowie der biogeographischen Herkunft (biogeographic ancestry, BGA - nur Bayern) erweitern.


Während neben der Feststellung des Geschlechts die bislang zulässigen STR-Analysen2 ausschließlich DNA-Abschnitte betreffen, welche nach aktuellem Erkenntnisstand nicht für die Ausprägung von (äußeren oder inneren) Merkmalen verantwortlich sind („nicht-kodierende“ DNA-Abschnitte), ist mit der geplanten Gesetzesänderung u.a. eine Analyse von merkmalstragenden, d.h. „kodierenden“ DNA-Abschnitten im Rahmen der Strafverfolgung verbunden. Dies erfordert einen besonders verantwortungsvollen und umsichtigen Umgang mit den erhobenen Daten.


Grundsätzlich befürworten der Vorstand der DGRM und die UFG die geplante Erweiterung des § 81e um phänotypische und biogeographische Analysen und begrüßen, dass Fortschritte in den forensischen Wissenschaften Eingang in die gesetzlichen Regelungen finden. Es ist jedoch zu betonen, dass es sich bei den beschriebenen Methoden um Instrumente handelt, die nur dann einen wertvollen Beitrag zur Verbrechensaufklärung liefern können, wenn zuvor am konkreten Fall die Sinnhaftigkeit, die zu erwartende Aussage und die Validität des einzusetzenden Verfahrens geprüft wurden. Dabei ist weniger die technische Analyse problematisch, sondern die wissenschaftlich fundierte Interpretation der Analyseergebnisse. Die heute üblichen, z. T. recht einfachen, automatisierbaren Auswertungsalgorithmen, die in der konventionellen DNA-(d.h. STR-)Analyse anwendbar sind, z. B. eine Zuordnung einer Spur zu einer Person, sind auf die Methoden des forensic DNA phenotyping und der biogeografischen Herkunftsbestimmung nicht übertragbar. Eine Stellungnahme zu Leistungsfähigkeit und Grenzen dieser Analysemethoden erging im Dezember 2016 durch die Spurenkommission3.


Bei den Verfahren des forensic DNA phenotyping und der biogeografischen Herkunftsbestimmung handelt es sich derzeit um Methoden, die nicht für einen flächendeckenden Einsatz in der Strafverfolgung geeignet sind, sondern nur in besonders gelagerten Fällen sinnvoll eingesetzt werden können und über deren Nutzung in Einzelfallentscheidungen befunden werden sollte. Ein wesentlicher Anwendungsbereich ist in der Analyse von vollständig typisierbaren und tatrelevanten 1-Personen-Spuren zu sehen, an denen ein konventionelles STR-Profil erstellt wurde, das jedoch bei Vergleich mit anderen fallbezogenen oder mit in der DNA-Analyse-Datei am BKA gespeicherten DNA-Profilen keine Übereinstimmung ergeben hat. Zudem sollte kein konkreter Tatverdächtiger ermittelt worden sein. Eine zentrale Speicherung der zusätzlich erhobenen genetischen Daten in einer Datenbank ist wegen der intendierten individuellen Anwendung im Einzelfall nicht notwendig. Entsprechende Richtlinien für den Einsatz der neuen Analysemethoden müssen erarbeitet werden.


1 Drucksache 117/17 vom 03.02.2017 und Drucksache 117/1/17 vom 28.03.2017


2 STR-Analyse: Feststellung einer individualspezifischen Kombination von DNA-Merkmalen, dem STR-Profil, das eine spezifische Zuordnung einer Spur zu einer Person und auch die Klärung von (nahen) Abstammungsverhältnissen, z. B. einer Elternschaft, ermöglicht.


3 Spurenkommission: Gemeinsame Kommission der rechtsmedizinischen und kriminaltechnischen Institute; Stellungnahme abrufbar unter

http://www.gednap.org/de/spurenkommission/

Des Weiteren ist die praktische Erfahrung mit den vorgeschlagenen Methoden bisher auf einzelne Standorte forensischer DNA-Laboratorien beschränkt. Um eine breite, kompetente Anwendung der erweiterten Analysemethoden zu gewährleisten, bedarf es einer Optimierung der geplanten Untersuchungsmethoden hinsichtlich ihrer Anwendung in der Spurenanalyse, einer umfangreichen Validierung sowie auch einer umfänglichen Schulung aller Beteiligter (Ermittlungsbehörden, aber auch Sachverständige) in Bezug auf die Eigenschaften und Besonderheiten dieser ergänzend zu untersuchenden Merkmale sowie die Aussagekraft und die Grenzen von Wahrscheinlichkeitsaus-sagen bezüglich eines gesuchten unbekannten Spurenlegers. Das durch die Europäische Union finanzierte VISAGE-Projekt4 beschäftigt sich u.a. mit der Erforschung neuer Marker, der Entwicklung von Software, der Erarbeitung der ethischen Grundlagen und Schulungen der forensischen Wissenschaftler. Eine ergänzende finanzielle Unterstützung der universitären rechtsmedizinischen Institute, welche die Entwicklung und Validierung neuer DNA-Analysemethoden maßgeblich tragen und die auch die fachliche Weiterbildung der Bedarfsträger in Bezug auf die neuen Technologien organisieren können, ist zudem essentiell für die Implementierung dieser Verfahren. Ansonsten ist zu befürchten, dass die Erwartungen in das Potenzial einer erweiterten DNA-Analyse in der Verbrechensbekämpfung überhöht und die Methoden durch die Enttäuschung von unrealistischen Erwartungen diskreditiert werden.


Wird die erweiterte DNA-Analyse unter den vorab dargestellten Voraussetzungen verantwortungsvoll und mit Augenmaß auf der Grundlage klarer rechtlicher Rahmenbedingungen und sachgerechter Verfahrensrichtlinien eingesetzt, so sehen wir in ihrer Anwendung eine sinnvolle Erweiterung und Verbesserung des Repertoires forensischer Methoden zur Verbrechensaufklärung.


Prof. Dr. S. Lutz-Bonengel                                               Prof. Dr. T. Bajanowski
Sprecherin AG Universitäre Forensische Genetik            Präsident DGRM

 

Hier finden Sie die Stellungnahme auch als PDF.

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