DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR RECHTSMEDIZIN

Insitut für Rechtsmedizin Leipzig

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Direktor: Prof. Dr. Jan Dressler

Aktuelles aus dem Institut Leipzig

18. Tagung der sächsischen Institute für Rechtsmedizin und des LKA Sachsen „Forensische Toxikologie im Umfeld"

Die traditionsreiche Veranstaltung, die seit 1996 alternierend zwischen den sächsischen Instituten für Rechtsmedizin und dem Landeskriminalamt Sachsen („Sachsendreier“) durchgeführt wird, widmete sich in diesem Jahr der Entwicklung in der Forensischen Toxikologie. Anlass war der 80. Geburtstag von Prof. Dr. R. K. Müller im August 2016, der die Abteilung für Forensische Toxikologie des Leipziger Institutes viele Jahre prägte und vor seiner Emeritierung Direktor des Institutes für Dopinganalytik und Sportbiochemie Dresden in Kreischa war. Bereits im Jahr 1987 gründete K. Müller den viel beachteten Postgradualstudiengang „Toxikologie und Umweltschutz“, so dass die Organisatoren mit der Auswahl der wissenschaftlichen Beiträge auch das weitere Umfeld der Toxikologie streifen wollten. Die Veranstaltung fand im modernen Hörsaal des Medizinischen Forschungszentrums am Universitätsklinikum Leipzig bei schönstem Herbstwetter statt und wurde von etwa 140 Teilnehmern, darunter namhaften Vertreter der Justiz, Polizei und Wissenschaft besucht.

 


In seiner Eröffnungsrede wies Prof. Dr. J. Dreßler einerseits auf die nunmehr hervorragenden Arbeitsbedingungen in dem seit 2015 komplett sanierten Institutsgebäude an der Johannisallee hin, andererseits fand er kritische Worte für die unzureichende Personalausstattung der universitären Einrichtung insbesondere unter den ärztlichen Mitarbeitern und Chemikern. Wenn das Institut seinen hoheitlichen Verpflichtungen an den Standorten Leipzig und Chemnitz auch in Zukunft gerecht werden will, muss es in diesen Bereichen personelle Verbesserung geben. In der sich anschließenden Laudatio würdigte er den Jubilar, der 1936 in Glauchau an der Zwickauer Mulde geboren wurde als ganzheitlich gebildeten, ausgezeichneten Wissenschaftler, Freund und Förderer des Institutes und der Forensischen Toxikologie. K. Müller studierte zunächst an der Technischen Hochschule Leuna-Merseburg Chemie ehe er 1955 an die Alma Mater Lipsiensis wechseln konnte. Nach erfolgreichem Staatsexamen in Chemie 1960 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Gerichtliche Medizin und Kriminalistik Leipzig zunächst unter der kommissarischen Leitung von Prof. Dr. Dr. mult. O. Prokop ab 1962 und unter dem Ordinariat von Prof. Dr. W. Dürwald bis 1989. K. Müller wurde 1991 dazu berufen, neben der wissenschaftlichen Leitung der Abteilung für Forensische Toxikologie des Leipziger Institutes für Rechtsmedizin das de facto abgewickelte Dopinglabor Kreischa neu zu etablieren und als künftiges Institut für Dopinganalytik und Sportbiochemie Dresden zu leiten. Sein unermüdliches wissenschaftliches und sportpolitisches Engagement führte zu leitenden Positionen im Rahmen der Antidopingkonvention des Europarats und zur Mitarbeit in der Welt-Antidopingagentur WADA Montreal von der Gründung im Jahre 2000 an bis 2007. Im gleichen Jahr wurde er in den ehrenamtlichen Vorstand der deutschen Nationalen Anti-Doping Agentur (NADA) berufen. Der Laudator wies darauf hin, dass K. Müller in den vielen Jahren seines beruflichen Schaffens über das 65. Lebensjahr hinaus mehr als 400 Publikationen veröffentlichte, darunter mehrere Bücher und zahlreiche Sammelbände. Sein über 800 Seiten starkes Werk „Toxikologisch-chemischen Analyse“ übergab er J. Dreßler zu seiner Berufung nach Leipzig. Zurzeit wirkt K. Müller als ehrenamtlicher Vorsitzender der Landessektion Sachsen des Bundes gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr. Unter den vielen Ehrungen die K. Müller erhalten hat, wurden vor allem der Leibniz-Preis der Universität Leipzig, die Richard-Kockel-Medaille der Gesellschaft für Gerichtliche Medizin der DDR, das Bundesverdienstkreuz am Bande und den Alan Curry – Award , die höchste Auszeichnung der International Association of Forensic Toxicologists (TIAFT) erwähnt. Am Ende seiner Ausführungen wünschte J. Dreßler dem Jubilar für die kommenden Jahre vor allem stabile Gesundheit und noch viele schöne Stunden mit seiner Familie. Die ehemaligen Mitarbeiter überreichten K. Müller in Dankbarkeit viele Geschenke, u. a. auch ein gerahmtes Poster mit Fotos seines Wirkens im Institut.
Die Grüße des Dekans der Medizinischen Fakultät überbrachte Prof. Dr. J. Meixensberger, derzeitiger Studiendekan für Humanmedizin, der neben den o. g. Verdiensten des Jubilars auch die Rolle der Rechtsmedizin in der Lehre am pulsierenden Campus würdigte und dabei resümierte, dass der o.g. Postgradualstudiengang immerhin der Zweitstärkste nach den Medizinstudenten an der Fakultät ist. Für den Bund gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr (BADS) überbrachte dessen Vorsitzender Dr. P. Gerhardt die besten Grüße und Glückwünsche an K. Müller. Dabei erinnerte er mit Humor an die eindrucksvollen Trinkversuche in Leipzig und deren praktische Relevanz.
Der wissenschaftliche Teil der Veranstaltung wurde durch Herrn K. R. Maatz, Richter am BGH a. D., in eindrucksvoller Weise begonnen. Die enge Verzahnung zwischen Justiz, Rechtsmedizin und, als Teilgebiet letzterer, der Forensischen Toxikologie lässt sich in der Praxis kaum an einem besseren Beispiel als der Etablierung von „Grenzwerte“ verdeutlichen. Am Beispiel von existierenden und anerkannten Grenzwerten auf dem Gebiet der Alkohologie zeigte der Referent, dass umfangreiche und tiefgründige Forschungen sowie teilweise kontroverse Diskussionen zu Empfehlungen von Zahlenwerten für die absolute Fahruntüchtigkeit nach Alkoholgenuss führten. Diesen wurden und werden mittels juristischer Entscheidungen Gesetzeskraft zugewiesen und führen letztendlich zu einer vereinfachten Rechtsprechung.
Den Prozess der naturwissenschaftlichen Grenzwertfindung beschrieb T. Daldrup in seinem nachfolgenden Beitrag nach einem kurzen historischen Rückblick insbesondere am Beispiel der Beeinträchtigung von Probanden durch Cannabis. Im Vergleich zum Alkohol weisen Untersuchungen darauf hin, dass mit steigender THC-Konzentration die Unfallhäufigkeit geringfügig abzunehmen scheint. Der CIF-Wert, als Verhältnis zwischen THC und seinen Hauptmetaboliten, ist besser geeignet, naturwissenschaftlich belegte Grenzwerte für eine cannabisbedingte absolute Fahruntüchtigkeit anzunehmen.
Nach diesem Beitrag mit aktuellem Bezug lud U. Demme das Auditorium zu einer Reise in die jüngere Vergangenheit der toxikologischen Analytik ein und nahm insbesondere Bezug auf das vom Jubilar verfasste Standardwerk „Die toxikologische Analyse“ von 1976 für die auf diesem Gebiet tätigen Wissenschaftler in der DDR. Beeindruckend war die schon damals ausgefeilte Nutzung und Kombination vorhandener analytischer Nachweisverfahren zum juristisch anerkannten Nachweis unbekannter Gifte insbesondere im biologischen Prüfmaterial. Nach Aufarbeitung in eher „grobtonnagigen“ Maßstab war insbesondere die Dünnschichtchromatographie durch die Vielfalt an eingesetzten Fließ- und Detektionsmitteln die Methode der Wahl.
Die Fortschritte der massenspektrometrischen Nachweismethodik wurden von H. Trauer in beeindruckender Art und Weise an repräsentativen Beispielen verdeutlicht. Mussten noch vor etwa 30 Jahren größere Mengen an Prüfmaterial zum Nachweis aufgearbeitet werden, bedingt der derzeitige Stand der Technik teilweise eine Verdünnung des Prüfmaterials vor der eigentlichen Analytik.
Vertieft wurde diese Darstellung aktueller Möglichkeiten der instrumentellen Analytik durch den Beitrag von B. Wüst, welcher auf neue Identifizierungsbibliotheken sowie hochkomplexe computergestützte Tools zum Nachweis von Drogen und deren Stoffwechselprodukte hinwies. Mittels dieser neuen Möglichkeiten ist es zum Beispiel bei Anwendung der QTOF-Analytik möglich, nach Aufnahme der Daten, in Jahren später Substanzen sicher nachzuweisen, die zum Zeitpunkt der Untersuchung der Allgemeinheit noch nicht bekannt waren. Hier ergeben sich insbesondere für die retrospektive Auswertung auf neue Dopingmittel völlig neue Dimensionen.
Im darauf folgenden Beitrag wies R. Salzer darauf hin, dass die FT-IR Spektroskopie in der forensischen Toxikologie seit vielen Jahren als gut etabliert angesehen werden kann. Gegenwärtig erreichen praxistaugliche tragbare IR-Minispektrometer den Markt. Mit ihnen lassen sich neue Einsatzmöglichkeiten der Feldanalyse erschließen. Der Einsatz der Raman-Spektroskopie verlangte bisher oft erfahrene Spezialisten. Die seit einiger Zeit verfügbaren tragbaren Geräte ermöglichen dagegen den Routine-Feldeinsatz. Die neuen Einsatzgebiete bedingen die Einbeziehung chemometrischer Auswerteverfahren, wobei die dafür eingesetzten Softwarepakete auch für nicht-technische Anwender fehlerfrei nutzbar sind.
K. Schulz als Leiterin des entsprechenden Arbeitskreises der GTFCh berichtete nachfolgend über aktuelle Trends in der Begleitstoffanalytik zur Überprüfung von insbesondere Nachtrunkbehauptungen. Neuere Untersuchungen sollen gezeigt haben, dass neben den klassischen Begleitstoffen (u. a. Methanol, Propanol-1, i-Butanol) für bestimmte Getränkegruppen charakteristische Aromastoffe (z. B. Anethol, Eugenol und Menthol) als mögliche Überprüfungskriterien in Frage kommen könnten. Neben dem eigentlichen Nachweis dieser Substanzen stellt die Berechnung von sogenannten „Erwartungswerten“ eine wesentliche Grundlage der Bewertung dar. Sie berichtete über Ergebnisse von Untersuchungen zur Abbaukinetik dieser Aromastoffe.
Moderne Ansätze zur Beurteilung der Toxizität übermittelte G. Schüürmann aus dem Bereich der Ökotoxikologie. Beginnend mit einem kurzen Streifzug durch die Geschichte der Toxikologie kamen Erläuterungen zum 3-R-Prinzip (Reduce-Refine-Replace). Hierbei wird über eine Reduzierung und eine Verminderung von Tierversuchen der Ersatz selbiger angestrebt. Basis dieser computergestützten Modellberechnungen zur Vorhersage toxischer Wirkmechanismen stellen insbesondere chemische Reaktivitäten und molekulare Strukturen dar, aus denen sich im Idealfall toxikologische Eigenschaften vorhersagen lassen sollen.
Nach der für alle notwendigen Mittagspause, die auch im Freien vor dem Forschungszentrum stadtfinden konnte, stellte J. Teske die für einen Toxikologen eher seltene Fallkonstellation entsprechender analytischer Untersuchungen nach einer Exhumierung vor. Bereits im Verlauf der Exhumierung sollten Bodenproben als Vergleichsmaterialien gewonnen werden, um Umwelteinflüsse auf die entsprechenden analytischen Ergebnisse zu erkennen. Mittels Tandem-Massenspektrometrie konnten nach 6 Jahren Liegezeit der fragliche, in krimineller Absicht verabreichte Wirkstoff Ajmalin sicher im Gehirn sowie im Weichgewebe nachgewiesen werden, ein Baustein für die Verurteilung des Angeklagten zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe.
Nachfolgend wurde von A. Engel über drei letal verlaufende Methamphetamin-Intoxikationen berichtet. Bei allen drei Fällen ergaben sich im Rahmen der rechtsmedizinischen Sektion Hinweise auf inkorporierte Behältnisse (Plastikcliptütchen im Bereich des Magenpförtners, in der Tiefe der Mundhöhle, im Zwölffingerdarm), in denen sich vermutlich Methamphetamin in Form von Crystal befunden hat. Die erhaltenen Ergebnisse der forensisch-chemischen Untersuchungen ergaben im Venenblut Methamphetaminkonzentrationen zwischen 6,0 und 12,4 mg/L, welche als todesursächlich angesehen wurden.
Im Beitrag von B. Ondruschka wurde die Wichtigkeit der oft vernachlässigten histologischen Aufarbeitung von Drogentodesfällen zum Ausschluss konkurrierender Todesursachen und zur Diagnostik eines chronischen Abusus nebst typischer Folgeerkrankungen betont. Insbesondere das Fehlen belastbare morphologischer Hinweise auf eine länger anhaltende Drogenkarriere sind geeignet, die Ergebnisse forensisch-toxikologischer Daten insbesondere bei Todesfälle mit eher geringen „toxischen“ Blutkonzentrationen besser zu beurteilen.
Von U. Böhm wurde darauf hingewiesen, dass bei Abstinenzuntersuchungen die Haaranalytik für alle Beteiligten eher mit einem geringen präanalytischen Aufwand verbunden ist. Einschränkungen in der Bewertung ergeben sich aber bekanntermaßen bei gefärbten Haaren. Als Alternative wies die Referentin auch auf die Urinanalyse hin, um eine Drogenabstinenz mit erhöhter Sicherheit beurteilen zu können.
Während Fliegenlarven, die durch die frühe Besiedlung von Leichenmaterial gefunden werden, beispielsweise bei der Bestimmung von Leichenliegezeiten oder dem Erkennen von Verlagerungen eines Leichnams hilfreich sein können, wurde von M. Schwarz in seinem Beitrag darauf eingegangen, dass auch durch die Untersuchungen von leichenbesiedelnden Käferarten fallbezogene Informationen erhalten werden können. Insbesondere über die mögliche Anreichung von chemischen Noxen durch den Fraß und eine entsprechende Analytik sollten sich auch Hinweise auf eine mögliche Vergiftung finden lassen.
T. Krieghoff vom Landeskriminalamt Sachsen zeigte, dass durch den Einsatz moderner Messverfahren (ICP MS mit Laserablation) bei der Untersuchung von Glaspartikeln, sichergestellt z. B. an Täterbekleidung oder Täterwerkzeug, eine deutlich bessere Zuordnung zum Tatort-Material möglich ist. Wie auch bei anderen analytischen Verfahren stellt eine möglichst umfangreiche Vergleichs-Datenbank bei Einsatz dieser Methodik eine unabdingbare Voraussetzung für eine effektive Fallbearbeitung dar, limitierend wirken sich hierbei allerdings auch die für die Untersuchung notwendige Glassplittergröße und -dicke aus.
Durch R. Wennig wurde über die eher wenig bekannte Rolle der Forensischen Medizin und Toxikologie in der Philatelie berichtet. Aus seinem kurzweiligen Vortrag ging hervor, dass es insbesondere herausragende und bekannte Persönlichkeiten mit mehr oder weniger enger Bindung zu den oben genannten wissenschaftlichen Gebieten als „prägend“ für einige philatelistische Raritäten angesehen werden können. Aus methodischer Sicht wurde zumindest der Nachweis von Arsen durch die Edition einer entsprechenden Briefmarke gewürdigt. Inwieweit weitere Persönlichkeiten aus unserem Fachgebiet es noch zu postalischen Ehren bringen, bleibt fraglich, da in den modernen Zeiten die Funktion einer Briefmarke zunehmend schwindet.
R.K. Müller als Nestor der Toxikologie im ostdeutschen Raum ließ zum Abschluss des wissenschaftlichen Teils der Veranstaltungen seine Arbeitsjahre Revue passieren, von den Anfängen der forensischen Grundlagenarbeit bis hin zur heutigen modernen Toxikologie. Chemie war in seinen Berufsanfangsjahren im Begriff, den Alltag zu erobern. Die Bevölkerung kam zunehmend mit chemischen Produkten in Berührung, aber allein das Wort „Toxikologie“ galt als Fremdwort, selbst beim Schreiben des Wortes gab es Schwierigkeiten. Es galt, Grundlagen zum chemischen Verständnis für toxikologische Fragestellungen auch für die Allgemeinheit zu schaffen. Anhand aktueller Pressemitteilungen konnte gezeigt werden, dass hier noch erheblicher Aufklärungs- und Beratungsbedarf besteht.
Heute ist die Toxikologie aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken, das Themengebiet erweitert sich immer mehr, es bedarf aber auch einer objektiven Einschätzung und Beurteilung der „Grenzbereiche“ in allen Ebenen.
Der Jubilar ließ es sich am Abend nicht nehmen einen auserwählten Kreis an ehemaligen Kollegen und Freunden zu einem Orgelkonzert in der nahegelegenen Petri Kirche einzuladen. Er spielte selbst die kleinere im Hauptschiff platzierte Jahn-Orgel, die ursprünglich in der Universitätskirche St. Pauli stand und in letzter Minute von mutigen Leipzigern vor der Zerstörung durch das Ulbricht-Regime 1967 gerettet werden konnte. Mit der berühmten Toccata d-Moll von Johann Sebastian Bach klang die wunderschöne, beindruckende Tagung mit vielen herzlichen Begegnungen stimmungsvoll aus.

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