Stellungnahme der DGRM zur Veröffentlichung der Bundesärztekammer zum Thema "Medizinische Alterskontrolle bei Flüchtlingen nur in Ausnahmefällen" in Ärzteblatt.de vom Freitag, 30. September 2016

Die Zentrale Ethikkommission (ZEKO) bei der Bundesärztekammer hat eine Stellungnahme zur medizinischen Altersschätzung bei unbegleiteten jungen Flüchtlingen vorgelegt. Erklärtes Ziel der Stellungnahme war es, auf der Grundlage einer Synopsis des medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstandes rechtliche und ethische Schlussfolgerungen zu ziehen.

Aus Sicht des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin wurde dieses Ziel nicht erreicht. Statt einer unabhängigen und kritischen Bewertung der publizierten Studien zu den evidenzbasierten Verfahren der forensischen Altersdiagnostik werden in der ZEKO-Stellungnahme unzutreffende Behauptungen zur Aussagesicherheit der von der interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik (AGFAD) empfohlenen Methodik wiederholt, die bereits in der Vergangenheit mehrfach widerlegt wurden. Die Aussage, dass durch keine der von AGFAD empfohlenen Untersuchungen ein Alter über oder unter 14, 16 oder 18 Jahren mit hinreichender Zuverlässigkeit festgestellt werden könne, ist rational nicht nachvollziehbar. Insbesondere die Studienlage zum zeitlichen Verlauf der Schlüsselbeinverknöcherung wird verzerrt dargestellt. So wird der falsche Eindruck erweckt, dass zur Altersdiagnose lediglich eine Studie herangezogen würde. Weiterhin wird verkannt, dass die als Beleg für die Aussage, dass reifere Stadien der Schlüsselbeinverknöcherung (3c, 4 und 5) auch unter 18 Jahren vorkämen, zitierte Studie im Widerspruch zur umfangreichen übrigen Literatur steht und daher als Referenzstudie nicht in Betracht kommt.

Die in den abschließenden Empfehlungen der ZEKO vorgenommene Vermengung von Altersbegutachtungen im Auftrag von Jugendämtern und Familiengerichten mit medizinischen Altersschätzungen im Asylverfahren ignoriert die aus unterschiedlichen Rechtsgrundlagen resultierenden Konsequenzen für das zur forensischen Altersdiagnostik einzusetzende Methodenspektrum.

Dass die Eignung der evidenzbasierten Methoden der forensischen Altersdiagnostik in Zweifel gezogen wird, während sozialpädagogische Altersschätzungen, für die keine validen Referenzstudien vorliegen, empfohlen werden, konterkariert den medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand.
Die Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission ist aus Sicht des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin in wichtigen Punkten nicht zutreffend und stellt deshalb nicht den erwarteten fundierten Beitrag zur Diskussion der Altersdiagnostik bei unbegleiteten jungen Flüchtlingen dar.

Der Vorstand der DGRM

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